4. August 2025

BFSG: Warum Kanzleien jetzt ihre Website auf Barrierefreiheit prüfen sollten

Abmahnrisiko durch Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)? Wir erklären Ihnen, worauf Sie als Anwaltskanzlei jetzt achten müssen - und wie Sie Ihre Website gesetzeskonform gestalten.

BFSG: Warum Kanzleien jetzt ihre Website auf Barrierefreiheit prüfen sollten
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Eine gute Web-Präsenz wird auch für Anwaltskanzleien immer wichtiger, nicht nur als digitale Visitenkarte, sondern auch als aktives Mandantenportal. Immer mehr Mandanten erwarten, rechtliche Dienstleistungen auch online einfach und schnell in Anspruch nehmen zu können. 

Eine barrierefreie Website war schon immer sinnvoll: Sie zeigt digitale Verantwortung, Professionalität und echte Mandantenorientierung. 

Mittlerweile ist Barrierefreiheit aber mehr als nur ein “Nice to Have”. 

Mit dem Inkrafttreten des BFSG am 28. Juni 2025 ist digitale Barrierefreiheit in vielen Fällen verpflichtend geworden. Viele Kanzleien haben diese Änderung bislang nicht auf dem Radar. Doch auch Sie könnten betroffen sein – je nach Art und Ausgestaltung Ihrer Website. 

Haben Sie bereits geprüft, ob Ihre Kanzlei-Website barrierefrei ist? Und wissen Sie, ob Ihre Website unter das Gesetz fällt? 

Im schlimmsten Fall drohen hohe Bußgelder. Doch was bedeutet das konkret für Sie? 

 

Was hat es mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) auf sich? 

Hintergrund dieser Neuerung ist die EU-Richtlinie 2019/882 über barrierefreie Produkte und Dienstleistungen („European Accessibility Act“). Ziel ist es, digitale Angebote für Verbraucher barrierefrei zugänglich zu machen. 

 

Wer ist betroffen? 

Das BFSG gilt für alle Unternehmen, die digitale Dienstleistungen an Verbraucher (B2C) bereitstellen. Wenn auf einer Website Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr angeboten werden, muss diese barrierefrei sein. Was bedeutet das konkret für Kanzleien? Sie sind betroffen, wenn Ihre Website folgende Funktionen bereitstellt: 

  • Kontaktformulare zur Übermittlung von Mandatsanfragen oder Aufträgen 
  • Kostenpflichtige Downloads, digitale Leistungen oder andere E-Commerce Funktionen 

Ausgenommen sind: 

  • Kleinstunternehmen, d.h. Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz unter 2 Millionen Euro (§ 2 Nr. 17 BFSG) 
  • Reine B2B-Website (Ausnahme: wenn digitale Dienstleistungen öffentlich zugänglich sind) 
  • Websites ohne direkte Verbraucherinteraktionen; Informationsseiten 

Das BFSG könnte auch bei kleineren Kanzleien greifen, wenn sie sogenannte „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ anbieten, also z.B. Online-Terminbuchungen über die Kanzleiwebsite. 

Solche Dienstleistungen sind gemäß § 2 Nr. 26 BFSG „Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden.“ 

 

Was bedeutet „barrierefrei“ in diesem Kontext? 

Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass „Produkte und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.“ So ist das in § 3 Abs. 1 BFSG klar definiert. 

 

Die Anforderungen der Barrierefreiheit orientieren sich an den international anerkannten Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), aktuell in Version 2.1. 

Sie umfassen vier Prinzipien mit folgenden Anpassungen: 

Wahrnehmbarkeit: Inhalte müssen für alle Sinne zugänglich sein  

  • Alternativtexte für Bilder (z. B. bei Logos oder Icons) 
  • Beschriftung von Formularfeldern (z. B. "Name", "E-Mail") 
  • Untertitel oder Transkripte bei Videos 
  • Textgröße für gute Lesbarkeit 
  • Kontrast zwischen Text und Hintergrund  

Bedienbarkeit: Navigation per Tastatur  

  • Website muss ohne Maus bedienbar sein 
  • keine „Fallen“ wie automatisch ablaufende Slideshows ohne Pause-Button 

Verständlichkeit: Inhalte und Navigation müssen klar und einfach sein 

  • klare Sprache und logisch strukturierter Aufbau 
  • Fehlerhinweise bei Formularen (z. B. „E-Mail fehlt“) 

Robustheit: Kompatibilität mit gängigen Assistenztechnologien 

  • funktioniert mit Screenreadern, Vergrößerungssoftware, Braillezeilen usw. 
  • standardkonforme Programmierung (z. B. korrektes HTML, ARIA-Rollen) 

 

Wie habe ich als Betroffener nun zu handeln? 

Seit dem 28. Juni 2025 gilt das BFSG. Die Anforderungen sind klar, doch wie geht man die Änderungen nun an? So sichern Sie sich Schritt für Schritt ab: 

  1. Website-Audit durchführen: Analysieren Sie Ihre aktuelle Website auf Barrierefreiheit 
  2.  Beratung einholen: Arbeiten Sie mit Agenturen oder spezialisierten IT-Dienstleistern zusammen, um Lücken zu schließen. 
  3. Inhalte optimieren: Auch Texte, PDFs und Videos müssen barrierefrei aufbereitet werden. 
  4. Pflegeprozess anpassen: Achten Sie dauerhaft auf barrierefreie Inhalte – z.B. bei der Veröffentlichung von Mandanteninfos oder News.

 

Welche Konsequenzen drohen bei Nichtumsetzung? 

Wer die neuen Anforderungen ignoriert, geht rechtliche und wirtschaftliche Risiken ein: 

  • Bußgelder bei Verstößen gegen das BFSG können mit Geldstrafen von bis zu 100.000 Euro geahndet werden. 
  • Abmahnungen durch Wettbewerber oder Verbraucherschutz 
  • Reputationsschäden durch öffentliche Kritik  

Barrierefreiheit ist kein reines IT- oder Rechtsproblem, sondern eine Frage digitaler Verantwortung.  

Wer jetzt aktiv wird, verschafft sich nicht nur rechtliche Sicherheit, sondern positioniert sich auch als moderne, mandantenorientierte Kanzlei. 

Nutzen Sie die Chance, Ihre Website zukunftssicher, einbeziehend und benutzerfreundlich zu gestalten.  

▶  Wer heute handelt, muss morgen nicht nachbessern – oder sogar haften.